Nach der Flucht vor dem prügelnden Partner geht der Leidensweg weiter

Eingesperrt in den eigenen vier Wänden, ausgebeutet wie eine Sklavin und das in jeder Hinsicht: Schläge, Vergewaltigungen, psychischer Terror, Drohungen. Sie musste jahrelang die schmutzige Wäsche der ganzen Familie von Hand waschen. Schon eine Waschmaschine wäre nach Ansicht des gewalttätigen Ehemannes zu viel Freiheit für seine Frau gewesen. Und dennoch ist es Frau B. gelungen, sich von diesen Fesseln zu befreien und mit den Kindern im autonomen Frauenhaus unterzukommen. Seit 40 Jahren bietet es Gewaltopfern wie Frau B. einen sicheren Rückzugsort. 4000 Frauen sind dort bisher untergekommen, mit ihren Kindern. Gerade sie leiden extrem: erst unter der häuslichen Gewalt, die sie manchmal auch selbst trifft. Sie verlieren Freunde, müssen den Kindergarten oder die Schule wechseln und dürfen keinesfalls die geheime Adresse des Frauenhauses verraten. Viele Kinder werden als Folge der Erlebnisse zuhause verhaltensauffällig oder reagieren mit Entwicklungsstörungen. Viele Frauen haben durch die erlittene Gewalt bleibende gesundheitliche und psychische Probleme.

Chronische Geldnot nach der Trennung

Rund 1500 Spendenanträge für Menschen in Not gehen jährlich bei der Benefizaktion der Stuttgarter Zeitung „Hilfe für den Nachbarn“ e.V. ein. Eine sehr große Zahl der Anträge wird für Frauen, speziell für alleinerziehende Frauen gestellt. Alleinerziehende Frauen stehen finanziell fast immer schlecht da, weil sie allenfalls einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können und aufstockende Leistungen über das Jobcenter benötigen. Der Unterhalt für die Kinder wird von vielen Vätern nicht bezahlt. Sobald im Haushalt etwas kaputt geht oder für die Kinder ein Aufenthalt im Schullandheim ansteht, wenn der Nachwuchs für die Schule einen Laptop oder ein Tablet benötigt, bleibt nur noch der Ausweg über eine Geldspende. Der Grund für die prekären Lebensverhältnisse liegt nur allzu oft in einer zurückliegenden gewaltdominierten Beziehung. Mit viel Mut haben sich diese Frauen mit ihren Kindern daraus befreit, sind ins Frauenhaus geflüchtet, manchmal ist der Umzug in eine andere Stadt aus Sicherheitsgründen unumgänglich – und fast immer stehen sie nach der Trennung materiell vor dem Nichts.

Mutter und Kinder stehen vor dem Nichts

„Seit vier Jahren spüren wir extrem den Druck auf dem Wohnungsmarkt“, berichtet Viktoria Sundov vom Verein Frauen helfen Frauen (fhf), der Träger des autonomem Frauenhauses ist. „Manchmal sind die Frauen bis zu einem Jahr hier, bis sie eine Wohnung gefunden haben.“ Ein Glücksfall, und dennoch sind die Probleme damit nicht gelöst: Tatsächlich bleiben die gewalttätigen Partner oft in der früheren gemeinsamen Wohnung, geben nichts von den Möbeln heraus und immer wieder kommt es vor, dass die Frauen auch nach der Trennung noch die Schulden des Mannes abbezahlen, wenn sie aus Gutmütigkeit entsprechende Verträge unterzeichnet hatten. So werden sie ein weiteres Mal zum Opfer. Nur mit Unterstützung von „Hilfe für den Nachbarn“ kann da fürs erste eine spärliche Wohnungsausstattung finanziert werden. Die meisten Mietwohnungen haben keine Küche – und die ist teuer. Die Spendenaktion kann hier, dank Ihrer Hilfsbereitschaft, liebe Leserinnen und Leser, die größte Not lindern.

Bedrohung geht weiter

Die Drohungen und Nachstellungen der Männer hören in vielen Fällen nach der Trennung nicht auf, auch wenn das Gericht ein Näherungsverbot ausgesprochen hat. Häufig werden die Kinder als Druckmittel benutzt, um die Ex-Frau einzuschüchtern. Selbst wenn der Ehemann wegen häuslicher Gewalt oder Vergewaltigung verurteilt wurde, können sich Mutter und Kinder nicht in Sicherheit wiegen – schon gar nicht bei einer Bewährungsstrafe. Und dann gibt es auch noch eine weitere, schwer nachvollziehbare Rechtssprechung: „Da ist eine Frau im Gewaltschutzprogramm und der Mann hat ein Umgangsrecht mit den Kindern. Das ist absurd“, berichtet die Frauenhaus-Mitarbeiterin Melanie Moll.

Schwierige Frauenhaus-Finanzierung

Gewalt gegen Frauen hat viele Spielarten und zieht sich durch alle sozialen Schichten und Nationalitäten – nicht immer ist es körperliche Gewalt, oft ist es andauernder Psychoterror. Die Angst um die Kinder, dass sie entführt werden, dass ihnen etwas angetan werden könnte, lässt manche Frau weiter in der gewalttätigen Beziehung verharren. Die Frauenhausmitarbeiterinnen versuchen allen Schutzsuchenden zu helfen: „Wir müssen Frauen abweisen, wenn das Haus voll ist. Aus finanziellen Gründen wird niemand abgelehnt“, sagt Sarah Moosmann vom Verein fhf. Die rund 2000 Euro monatlich für die Unterkunft sind seitens der öffentlichen Hand nur für Frauen gesichert, die Bürgergeld erhalten. Studentinnen, Frauen, die mit dem Partner ein Haus besitzen, oder Asylbewerberinnen fallen durch das Raster. „Für sie müssen wir schauen, ob wir aus anderen Fördertöpfen den Platz finanziert bekommen,“ erklärt Sarah Moosmann die schwierige Finanzierung des Frauenhausbetriebs mit ihren vielen Unsicherheiten.

Seit elf Jahren ist das autonome Frauenhaus in einer Interimsbleibe mit 40 Plätzen für Mütter und 22 Plätzen für Kinder. Immer wieder sind die Pläne gescheitert, in ein größeres Objekt umzuziehen. Jetzt zeigt sich Licht am Ende des Tunnels: Der Verein hat ein Baugrundstück von der SWSG, aber noch ist nicht geklärt, wer den auf 17 Millionen Euro geschätzten Neubau bezahlt. Der Verein selbst finanziert sich über Spenden, Bußgeldzuweisungen, über die Tagessätze für die Frauen, die Bürgergeld beziehen und über seine beiden Beratungsstellen für Opfer häuslicher Gewalt, das BiF und das FiS. Beide werden von der Stadt bezuschusst werden. Auch „Hilfe für den Nachbarn“ hat in den vergangenen Jahren den Verein Frauen helfen Frauen mehrfach mit einem Zuschuss für eine Sommerfreizeit unterstützt: Damit die Frauen und die Kinder mal durchatmen und ihre Sorgen und Wunden vergessen können.